Zu den im Bundestag beschlossenen Kreditgarantien für Griechenland erklären Claudia Roth Bundestagsabgeordnete und Bundesvorsitzende und Cem Özdemir, Bundesvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
„Wir unterstützen die Finanzhilfen für Griechenland, weil es um die Verteidigung Europas als Ganzes geht. 65 Jahre nach dem Ende der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und 60 Jahre, nachdem in Paris ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen den Staaten Europas mit dem Plan für eine gemeinsame Montan-Union aufgeschlagen wurde, steht die Europäische Gemeinschaft vor einer Schicksalsentscheidung. Die Stabilität der gemeinsamen Währung und mit ihr die Stabilität und der Frieden in der Union stehen auf dem Spiel. Weltweit entfesselte Finanzmärkte und skrupellose Spekulanten bedrohen die gemeinsame Währung und damit das Haus Europa, für das wir Grüne uns in besonderer Weise verantwortlich fühlen.
Die Politik der Bundesregierung hat es uns sehr schwer gemacht, unserer Überzeugung zu folgen, Verantwortung für Europa zu übernehmen. Notwendige Reformen für die Stabilisierung der Europäischen Währungsunion bleiben aus. Weder werden die Finanzmärkte stärker reguliert, noch werden die privaten Gläubiger an dem von ihnen mit verursachten Schaden angemessen beteiligt. Den Menschen in Griechenland wird mit den Finanzhilfen ein Sparpaket zugemutet, das härteste Einschnitte abverlangt und sozial noch zu wenig ausgewogen ist. Dennoch sind sie derzeit der einzig gangbare Weg für eine Rettung Griechenlands. Daraus ergibt sich für uns Grüne als Europapartei, dass wir diesen Hilfen zustimmen müssen. Würden wir es uns stattdessen leicht machen und dem Boulevard folgen, der mit populistischer ,Wir-geben-Nix‘-Rhetorik gegen Griechenland hetzt, hieße das, ein kurzfristiges taktisches Kalkül vor einer wichtigen Landtagswahl dem Schicksal Griechenlands und dem europäischen Gesamtinteresse voranzustellen.
Mit den Finanzhilfen gewinnt die griechische Gesellschaft Zeit, um den endgültigen Staatsbankrott abzuwenden, der den totalen Zusammenbruch der Wirtschaft, absolute Verarmung und das Auseinanderbrechen der Gesellschaft zur Folge hätte. Und an die internationalen Finanzmärkte würde das Signal gesendet: Destabilisierung ist möglich und lohnenswert, der Angriff auch auf andere Länder der Euro-Zone kann beginnen.
Wir stimmen deshalb für die Finanzhilfen, weil wir nur so eine Chance sehen, der Spekulation gegen den Euro und den gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum entschieden entgegenzutreten. Wir stimmen zu, weil ohne wirtschaftliche Solidarität untereinander das europäische Projekt scheitert. Wir stimmen zu, weil Deutschland sich seiner europäischen Verantwortung nicht entziehen darf. Die Bundesregierung hat sich in den letzten Wochen völlig verzockt und damit die Krise verschärft und teurer gemacht.
Wir erwarten jetzt von der Bundesregierung, beim heutigen Sondergipfel in Brüssel Schritte einzuleiten, die zu einer stärkeren gemeinsamen wirtschaftspolitischen Steuerung innerhalb der EU führen. Auch darf sich die Bundesregierung nicht weiter einer europäischen Finanztransaktionssteuer verweigern.
Wenn Angela Merkel und Guido Westerwelle diese wichtigen Initiativen jetzt nicht anpacken, verfestigen sie ihren unverantwortlichen Kurs in der Europapolitik und führen Deutschland im Jahr 2010 auf den längst überwunden geglaubten Pfad eines deutschen Sonderwegs zurück."