Fragen und Antworten zur aktuellen Corona Lage Augsburger Kita- und Schulbereich.

Ein Interview mit Martina Wild, 2. Bürgermeisterin und Bildungsreferentin der Stadt Augsburg.

Ein Interview mit Martina Wild, 2. Bürgermeisterin und Bildungsreferentin der Stadt Augsburg.

Bitte beachten: Das Interview wurde am 25. November 2020 geführt. Seither gab es und es wird auch weiterhin Änderungen bezüglich der Schulen und Kitas geben. Für aktuelle Informationen, besuchen Sie bitte die Website der Stadt Augsburg

Marie Rechthaler: Die derzeitige Pandemie fordert derzeit sehr viele Menschen. Gerade im Schul- und Kitabereich tun sich hier für Eltern, aber auch den Erzieher*innen und den Lehrer*innen viele Herausforderungen, aber natürlich auch Fragen auf. Warum werden bundes- und bayernweit Regelungen verkündet und beschlossen, die aber dann im städtischen Kontext anders umgesetzt werden?

Martina Wild: Grundsätzlich dürfen Länder und Kommunen regional und lokal von den bundesweit einheitlichen Vorgaben abweichen, wenn die Zahl ihrer Neuinfektionen entsprechend hoch ist. Die Entscheidung, ob und wie der Schul- und Kitabetrieb aufrechterhalten wird, liegt bei der jeweiligen Kommune. Hier in Augsburg haben wir bereits seit längerem ein stärkeres Infektionsgeschehen als in der bayernweiten Betrachtung. Deswegen gehen unsere Augsburger Regelungen weiter als die der Landesebene und sind früher in Kraft getreten. Ich kann verstehen, dass diese unterschiedlichen Ankündigungen von Bund, Land und Kommune durchaus zu Verwirrungen bei einigen Eltern, Jugendlichen sowie Kindern führen. Mir ist es wichtig, klug und differenziert vorzugehen: Bildungsteilhabe und Kinderschutz im Blick und zugleich auf das Infektionsgeschehen angepasst agieren.

Marie Rechthaler: Wie wird denn eigentlich in Augsburg entschieden, welcher Weg bei Kitas und Schulen eingeschlagen wird?

Martina Wild: Wir entscheiden das als Referat für Bildung und Migration nicht alleine! Formal liegt die Entscheidung übrigens bei den örtlichen Gesundheitsbehörden und den staatlichen Schulaufsichtsbehörden. Wir haben einen Runden Tisch mit den staatlichen Schulaufsichtsbehörden, Vertreter*innen des Amtes für Kindertagesbetreuung, dem städtischen Gesundheitsamt und unserem Referat etabliert, an dem die jeweiligen Maßnahmen diskutiert und ein gemeinsamer Weg vereinbart wird. Diese gemeinsame Abstimmung hat sich gut bewährt.

 

Marie Rechthaler: Warum wird trotz der hohen Zahlen immer noch auf Präsenzunterricht in Schulen und eine Präsenzbetreuung in den Kitas gesetzt?

Martina Wild: Nicht nur wir, die Stadt Augsburg, sondern auch die Kanzlerin, die Ministerpräsidenten sind sich darüber einig, dass Präsenzunterricht und Präsenzbetreuung höchste Priorität haben. Hierbei geht es für die Kinder und Jugendlichen um das Recht auf Bildung, das soziale Miteinander, aber auch um den Schutz vor häuslicher Gewalt. Und bei den Eltern geht es natürlich auch um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Die sozialen Kontakte, die alltäglichen Begegnungen mit anderen Kindern und Jugendlichen und die dadurch erworbenen sozialen Kompetenzen, die direkte Betreuung und Begleitung durch pädagogische Fachkräfte sind für Kinder und Jugendliche unersetzlich und relevant für deren weitere Entwicklung. Diese Aspekte machen deutlich, dass Schule mehr als reiner Frontalunterricht und Kreide ist.

Marie Rechthaler: In ganz Deutschland wird kontrovers diskutiert, wie “corona-treibend” Schulen und Kitas sind. Wie sieht es in Augsburg aus?

Martina Wild: Unter Betrachtung des bisherigen Infektionsgeschens in Schule und Kita können wir für Augsburg sagen, dass Schulen und Kitas keine Infektionsherde und -treiber sind. Die Kinder halten sich in der Schule meist mehr an die Hygienemaßnahmen, wie außerhalb. Neben den Hygienekonzepten und den üblichen Regeln “Abstand halten, Maske tragen und Lüften” haben wir unterschiedliche Regelungen vorgenommen, um Kinder und Mitarbeiter*innen zu schützen. Deshalb haben wir in Kitas feste Betreuungsgruppen vorgeschrieben und Früh- wie Spätdienste eingeschränkt. Im Bereich der Schulen wurde zum Beispiel beim Religionsunterricht empfohlen, auf eine Jahrgangsdurchmischung zu verzichten und stattdessen konfessionsübergreifenden Unterricht oder Ethik in festen Klassengruppen anzubieten. Hinzu kommt der Schulweg, bei dem es uns in Rücksprache mit Schulleitungen gelungen ist, durch einen unterschiedlichen Schulbeginn einen Beitrag dazu zu leisten, die Schülerströme im ÖPNV zu entzerren.

Marie Rechthaler: Warum gibt es bei den Schulen zum Teil Präsenzunterricht und zum Teil Wechselunterricht?

Martina Wild: Bei den Schulen sind wir sehr differenziert vorgegangen. Wir haben ja entschieden, ab den Herbstferien bei Realschulen, Gymnasien und Berufsschulen in den Wechselbetrieb zu gehen. Mittlerweile gilt der Wechselbetrieb auch für die Jahrgangsstufen ab 7 bei den Mittel- und Förderschulen. Unser Anliegen war es dabei, möglichst lange möglichst viele Kinder und Jugendliche im Präsenzunterricht zu erreichen. Bei älteren Kindern ist zudem ein Wechselunterricht mit digitalem Lernen Zuhause besser zu organisieren als im Grundschulalter.

Hinweisen möchte ich darauf, dass wir den Schulen in unserer Allgemeinverfügung explizit die Möglichkeit gegeben haben, Klassen im Präsenzunterricht belassen zu können, wenn der 1,5 Meter Abstand eingehalten werden kann. Dies trifft zum Beispiel auf die Abschlussklassen der Gymnasien zu, die nun zum Beispiel in Schulturnhallen unterrichtet werden.

Bitte beachten: Seit dem 9. Dezember gelten hier wieder andere Regelungen was den Präsenz- und Wechselunterricht betrifft. Infos dazu finden Siehier

Marie Rechthaler: Wie ist die Situation mit Corona-Testungen bei Kindern? Ab wann darf mein Kind nicht mehr in die Kita oder in die Schule?

Martina Wild: Gerade Kinder mit leichten Krankheitssymptomen ohne Fieber, wie leichter Schnupfen und gelegentlicher Husten, dürfen die Kindertagesbetreuung oder die Schule besuchen. Wenn es aber zu massiveren Verschlechterungen des Allgemeinzustandes des Kindes kommt, mit Fieber, Husten, Kurzatmigkeit, Luftnot etc., dann müssen die Kinder auf jeden Fall zu Hause bleiben.

Wir haben uns in Augsburg dazu entschieden, keine negativen Tests bzw. Atteste zu verlangen, wenn die Kinder wieder in Kita und Schule zurückkehren. Denn die Testkapazitäten des Testzentrums und der Labore sind in Augsburg sehr angespannt. Etliche Kinderarztpraxen stellen zudem keine Atteste aus und führen keine Testungen durch. Insofern haben wir unsere lokalen Regelungen an diese Realitäten angepasst, um handlungsfähig zu bleiben. Die Rahmenhygienepläne zu Kita und Schule werden auch in diesen Punkten gerade aktualisiert.

Marie Rechthaler: Was gibt es für Regelungen bezüglich Öffnungszeiten und Personal in den Kitas?

Martina Wild: Wir haben uns entschieden, Kinder in festen Gruppen zu lassen, um Durchmischung und damit unnötige Risiken zu vermeiden. Außerdem gelten weiterhin die reduzierten Öffnungszeiten von 8 - 16 Uhr. Diese Entscheidung wurde einerseits getroffen, um den Familien trotzdem eine Betreuungszeit zuzusichern und andererseits, um das Personal, das eh schon sehr belastet ist, nicht noch weiter zu fordern. Dies gilt für die städtischen Kitas und wird für alle freien Träger empfohlen.

Marie Rechthaler: Muss ich dann trotzdem weiterhin den gleichen Betrag zahlen oder werden die Gebühren den verkürzten Öffnungszeiten angepasst?

Martina Wild: Für die städtischen Kitas gilt eine rückwirkende Gebührenerstattung der jeweiligen Zeitanpassung zum Oktober 2020. Für die freien Träger wird dieses Vorgehen ebenfalls empfohlen.

Marie Rechthaler: Es gab jetzt schon mehrmals den Fall, dass Eltern erst sehr spät einen Anruf vom Gesundheitsamt bekommen haben, wenn es einen Verdachtsfall in den Kitagruppen gab. Warum dauert das so lange?

Martina Wild: Die Kita ist vom Infektionsschutzgesetz her verpflichtet, den Verdacht und die Kontaktdaten der betroffenen Familien an das Gesundheitsamt weiterzugeben. Die Kitaleitung darf zwar nach Bekanntwerden des Verdachts die Gruppe schließen. Gleiches gilt für die Schulen. Ob und wie lange eine Quarantänepflicht verordnet wird, entscheidet jedoch das Gesundheitsamt als zuständige Behörde. Für Fragen haben wir eine eigene Kita-Corona-Hotline und eine Schul-Corona-Hotline eingerichtet. Die Mitarbeiter*innen im Gesundheitsamt, die alleine für Kitas und Schulen zuständig sind, bemühen sich auf jeden Fall bestmöglichst, die zahlreichen Fälle in Kitas und Schulen zu bearbeiten.

Marie Rechthaler: Wo kann ich mich als Elternteil, Betroffene oder als Jugendlicher über die aktuellsten Maßnahmen informieren?

Martina Wild: Auf der Internetseite der Stadt Augsburg (Verlinkung auf:https://www.augsburg.de/umwelt-soziales/gesundheit/coronavirus/infos-fuer-eltern)  finden sich immer die aktuellsten Informationen, was Augsburg betrifft. Man findet dort mehrsprachige Informationen zu den aktuellsten Maßnahmen, Anlaufstellen und Hotlines. Zudem informieren wir alle Kita-Einrichtungen und Schulen schnellstmöglich über ein Informationsschreiben, die diese dann wiederum an die Eltern weitergeben. Die Quarantäne-Anweisungen des Gesundheitsamtes haben wir in zehn unterschiedlichen Sprachen übersetzen lassen. Außerdem wurde an alle Kita-Einrichtungen Handlungs- und Kommunikationsleitfäden verteilt, die mehr Klarheit und Transparenz schaffen und eine Unterstützung geben sollen.

Marie Rechthaler: Wie geht es jetzt weiter?

Martina Wild: Die Corona-Pandemie macht es allgemein, aber vor allem auch im Bereich der Kitas und Schulen immer wieder erforderlich, flexibel auf neue Entwicklungen und auf das Infektionsgeschehen vor Ort zu reagieren. Das macht es natürlich für alle Beteiligten nicht leicht! Ich habe vollstes Verständnis für die Sorgen und auch Beschwerden vieler Eltern und auch vonseiten der Kitas und Schulen und deren Mitarbeiter*innen. Wichtig ist mir dabei aber auch zu sagen: Wir tun unser Bestes und werden auch weiterhin mit den einzelnen Einrichtungen, z.B. über die Runden Tische und Videokonferenzen mit den Kitas und den Schulen, in Kontakt bleiben.

Marie Rechthaler: Martina, vielen Dank für deine Zeit. Und vielen Dank für euren Einsatz und eure engagierte Arbeit in diesen herausfordernden Zeiten.

Das Interview führte Marie Rechthaler, Sprecherin für Bildung, Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung der Grünen Stadtratsfraktion und im Hauptberuf neben dem Stadtrat als Sozialpädagogin tätig. 

Augsburg, 25. November 2020

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